Nicht erst durch die Fridays for Future Proteste und der aktuellen Corona Pandemie müssen wir unsere Art zu planen und zu bauen immer stärker hinterfragen. Ressourcenknappheit und Klimawandel werden sich immer stärker auf unseren Beruf auswirken, so dass wir gezwungen sind Lösungen zu finden um als Architekt*innen unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Es ist Zeit diejenigen zu fördern, die bereit sind sich genau diesen und zukünftigen Herausforderungen zu stellen und durch neue, innovative Ideen und Entwürfe einen Beitrag zur Baukultur und gleichzeitig für die Zukunft unseres Berufsbildes zu leisten.

Der erste Schritt nach einem erfolgreich abgeschlossenem Architekturstudium führt in NRW heute beinahe zwingend in ein Angestelltenverhältnis.
Mindestens zwei Jahre lang müssen dann Erfahrungen in diversen Leistungsphasen gesammelt werden, um die Mitgliedschaft in der Architektenkammer beantragen zu können.
Die ersten Jahre werden so häufig zur Pflichtveranstaltung, bei der ein Bürowechsel von vielen vermieden wird und man sich zwangsläufig an die vorgefundenen Bürostrukturen anpassen muss.
Ist der erste Bürowechsel dann doch irgendwann erfolgt, fällt auf, wie unterschiedlich die Organisations- und Führungsstrukturen einzelner Büros sein können.
Da die Mehrheit der bestehenden Architekturbüros weniger als 10 Mitarbeiter*innen zählt (Quelle Strukturbefragung der Kammermitglieder), wird (Büro-)Organisation meist nicht allzu groß geschrieben. „Je weniger geregelt, umso mehr kann man von seinen Angestellten abverlangen“ ist leider noch häufig der unausgesprochene Leitsatz in den Köpfen vieler Geschäftsinhaber*innen.
Die gute Konjunkturlage und der damit verbunden Personalmangel haben bereits in Teilbereichen zu deutlichen Verbesserungen geführt, was Überstundenregelungen und flexible Arbeitszeitmodelle angeht. Dennoch ist es dringend erforderlich, dass die Rechte von Angestellten auch bei der Arbeit der AKNW mehr in den Fokus gerückt werden.
Immerhin stellt die Anzahl der angestellten Hochbauarchitekten*innen (privatrechtlich) mit 11.106 Mitgliedern (Quelle: Mitgliederstatistik AKNW 1.Juli 2020) die mit Abstand größte Gruppe innerhalb der AKNW.
Aktuell ist ein Großteil der Beratungsangebote, Publikationen und Praxishinweise der Kammer explizit auf die Büroinhaber*innen ausgerichtet. Dies galt z.B. zunächst auch bei aktuellen Informationen zur Covid-19-Pandemie: Erst nach einem expliziten Hinweis wurden entsprechende Informationen zu den Rechten der Arbeitnehmer*innen ergänzt.
Wir fordern als freie Liste die Rechte von Angestellten im selben Maße wie die der Selbstständigen und Büroeigentümer*innen zu berücksichtigen. Das vorhandene Beratungsangebot soll daher um Themen zum Arbeitsrecht, Vergütung, Überstundenregelungen, flexible Arbeitszeitmodelle sowie den Themen Datenschutz und Urheberrecht ergänzt werden und zwar explizit mit der Ausrichtung auf die Interessen der Arbeitnehmerschaft. Allen Mitgliedern der AKNW soll ein Beratungsangebot bereitgestellt werden können, welches sich an alle in der Kammer vorhandenen Beschäftigungsverhältnisse richtet.
Insbesondere für diejenigen, die das Angestelltenverhältnis zu Gunsten einer Selbstständigkeit aufgeben wollen, spielen die Rechte in Bezug auf die Verwendung von Referenzprojekten aus der Zeit als Angestellter eine existenzielle Rolle.
Ein fairer Umgang mit allen an Bau und Planung Beteiligten muss im Interesse von uns allen liegen. Baukultur entsteht nie ausschließlich aus dem Genius eines Einzelnen heraus, sondern ist immer das Ergebnis eines ganzen Teams. Als solches sollten wir alle Beteiligten unseres Berufs begreifen, uns für ein faires Miteinander einsetzen und jedem Teammitglied die Unterstützung zukommen lassen, welche benötigt wird.

Der Start in eine selbständige berufliche Existenz wird begleitet von zahlreichen rechtlichen und organisatorischen Hürden, die es zum Teil noch vor der eigentlichen Gründung zu meistern gilt.
Die Architektenkammer fördert Existenzgründer*innen bereits seit vielen Jahren mit einer entsprechenden Beratungsstelle und Publikationen. Für eine erfolgreiche Stärkung einer innovativen Gründerszene in der Architekturbranche darf man sich jedoch nicht ausschließlich auf Beratungsangebote beschränken, sondern muss aktiv für ein Gründerfreundlicheres Klima kämpfen.
Neben dem Abbau von rechtlichen und organisatorischen Hürden sollte sich die Kammer daher insbesondere dafür einsetzen, dass jungen Büros wieder die Chance gegeben wird, sich selbstständig an realen Bauaufgaben zu beweisen. Gerade gegenüber öffentlichen Bauherren sehen wir hier die Chance, durch eine positive Kommunikation das Vertrauen gegenüber jungen Architekten*innen und Neugründer*innen zu stärken.
Vor allem kleinere öffentliche Bauaufgaben, wie beispielsweise der Kitabau, würden sich gut zum Einstieg in eine Selbstständigkeit anbieten.
Leider werden solche Aufträge häufig von unterbesetzten kommunalen Bauämtern selbst geplant – nicht immer mit dem baukulturellen Anspruch, den man den Nutzenden wünschen würde.
Kommt es im Falle von Kita- und Schulbauten zu einem Vergabeverfahren, wird die Bewerbungshürde häufig so hoch angesetzt, dass selbst etablierten Büros bisweilen die richtigen Referenzen fehlen, sich für diese Bauaufgaben zu qualifizieren. Im Gegenzug bleiben für größere Büros unrentable Projekte unbesetzt, da eine Vermittlung an kleinere Büros misslingt.
Die gute Konjunkturlage der letzten Jahre hat zudem dazu geführt, dass in den Architekturbüros kaum Freiraum zugestanden wurde, der eine eigene Gründung ermöglichen würde. Auch hier sehen wir es als Aufgabe der Architektenkammer beispielsweise mit Beratungsangeboten, Musterverträgen zu reduzierten Arbeitszeiten und der Erlaubnis für Nebentätigkeiten die Bedürfnisse angestellter Architekten*innen zu stärken.

Das Wettbewerbswesen ist nach wie vor ein wichtiges Akquise-Instrument unseres Berufes. Dies gilt insbesondere für große, öffentliche Bauprojekte. Die Bewertung von anonymen Wettbewerbsbeiträgen durch eine unabhängige Fachjury ist zudem ein elementarer Bestandteil zur Sicherung der Baukultur.
Seit 2013 stützen sich in NRW alle Wettbewerbs-Auslober bei der Ausgabe von solchen Wettbewerbsverfahren auf die Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013). Dennoch unterscheiden sich die Verfahren in der Praxis zum Teil eklatant. Weder bei dem Umfang der Leistungsforderungen, noch bei der Höhe der Vergütung und der Forderung nach Referenzprojekten der potenziellen Teilnehmer*innen ist eine einheitliche Linie erkennbar.
Das Grundverständnis als Architekt*innen ist es, dass mit der Mitgliedschaft in einer Architektenkammer die berufliche Qualifikation bereits nachgewiesen ist. Ebenfalls ein Grundbestandteil unseres Berufes ist es, sich ständig in neue Themen einzuarbeiten und sich für neue Bauaufgaben zusätzliches Wissen anzueignen. Dass potentielle Auftraggeber*innen darüber hinaus realisierte Projekte als Referenzen fordern ist verständlich, sollte aber keinesfalls dazu führen, dass kleine Büros generell von solchen Verfahren ausgeschlossen werden. Wer bereits erfolgreich ein Einfamilienhaus realisiert hat, dem kann auch ohne weiteres die Realisierung einer Kita zugetraut werden.
Auch die RPW 2013 fordert bereits unter §1 (5): „Kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sollen durch geeignete Zugangsbedingungen angemessen beteiligt werden.“ Ein Leitsatz, der insbesondere in Verfahren im Raum NRW kaum zur Anwendung kommt. Zudem werden in NRW ohnehin nur knapp 3% der Wettbewerbsverfahren überhaupt als offene Wettbewerbe ausgelobt. Bei weiteren ca. 30% besteht zumindest noch die Option sich zu bewerben, während der überwiegende Rest als Einladungswettbewerb für viele Büros unerreichbar ist. (Quelle: Wettbewerbsstatistik BAK, 2018)
Die aktuelle Auslegung der RPW 2013 durch die Wettbewerbsauslobenden führt aufgrund der sehr spezifischen Anforderungen für Referenzen zu einer informellen und ungewollten Spezialisierung von Architekturbüros. Eine Tendenz, die aus unserer Sicht nicht im Interesse unseres Berufsbildes sein kann.
Wir fordern daher eine stärkere Öffnung der Wettbewerbsverfahren und insbesondere die Öffnung für Berufsanfänger*innen und kleinere Bürostrukturen. Gleichzeitig sehen wir auch bei kleineren Projekten die Chance, durch Wettbewerbe die Baukultur zu stärken.